Fährfahrt nach Thassos
Das Abenteuer Fähre
Von Keramoti nach Thassos
„Willkommen auf der Fähre von Keramoti nach Thassos, der wahrscheinlich chaotischsten, aber auch charmantesten Art, die griechische Inselwelt zu erleben,“ so hätte die Durchsage lauten können, als wir uns an einem strahlenden Morgen in Keramoti einfanden. Doch in der Realität gab es keine Ansagen – nur das pulsierende Leben des Hafens und ein leichtes Gefühl des Durcheinanders, das uns sofort in seinen Bann zog.
Ein typisch griechisches Chaos
Bereits der erste Eindruck war wie aus einem Film: bunte Fähren, Menschenmassen, hupende Autos und ein allgemeines Durcheinander, das typisch für griechische Häfen ist. Hier hatten wir es mit einer organisierten Unordnung zu tun, die nur Griechen beherrschen. Während wir uns durch die Menge schlängelten, schienen die Einheimischen keine Eile zu haben. Alles wurde mit einer Gelassenheit erledigt, die uns, als hektische Mitteleuropäer, fast zur Verzweiflung brachte.
Wir hatten uns gut vorbereitet und unsere Tickets bereits gekauft. Doch die Realität hielt sich nicht an unsere Planung. Am Ticketschalter erwartete uns eine lange Schlange, in der die Menschen gestikulierten und lachten, als hätten sie alle Zeit der Welt. Und während wir warteten, flog eine Möwe über uns hinweg und ließ ihr Geschäft ausgerechnet auf meiner neuen Sonnenbrille zurück. „Das soll Glück bringen“, sagte eine alte Dame neben mir und lachte herzlich.
Die Einschiffung – ein logistisches Wunder
Nach dem Kartenchaos stand die nächste Herausforderung bevor: die Einschiffung. Ein älterer Mann, der mehr wie ein Hafenarbeiter aussah als ein offizieller Vertreter, dirigierte die Autos mit wilden Handbewegungen. „Vαι, ναι, έτσι!“, rief er, was so viel bedeutete wie: „Ja, ja, dort entlang!“ Die Autofahrer schienen diese Anweisungen nur halbherzig zu befolgen, und so entfaltete sich ein chaotisches Ballett aus Autos, Lastwagen und Motorrollern.
Wir entschieden uns, zu Fuß an Bord zu gehen. Die Passagierzone war ein eigener Mikrokosmos. Familien mit Kindern, ältere Paare, junge Rucksacktouristen und sogar ein paar Hühner in einem Käfig – alle drängten sich durch die engen Gänge. Jeder fand schließlich seinen Platz, und die Fähre legte mit einem tiefen Tuten ab. Das Abenteuer konnte beginnen.
An Bord der Fähre
Sobald wir abgelegt hatten, stellte sich heraus, dass das Schiff selbst eine kleine Oase der Ruhe war. Die frische Brise des Ägäischen Meeres und der Ausblick auf das tiefblaue Wasser halfen uns, die Aufregung des Einschiffens zu vergessen. An Deck gab es eine kleine Snackbar, die Frappe, das unverzichtbare griechische Kaffeegetränk, und köstliche Tiropita, einen Käsegebäck, verkaufte.
Ich beobachtete eine griechische Familie, die sich mit einer solchen Menge an Essen eindeckte, dass es für eine ganze Woche gereicht hätte. „Man weiß nie, wie lange so eine Überfahrt dauert“, erklärte mir der Vater mit einem Augenzwinkern. Dabei ist die Fahrt von Keramoti nach Thassos gerade einmal 40 Minuten lang!
Begegnungen und Anekdoten
Während der Überfahrt kamen wir mit zahlreichen Mitreisenden ins Gespräch. Eine ältere Dame erzählte uns von ihrem ersten Fährtrip in den 50er Jahren, als es noch keine modernen Fähren gab. „Damals waren die Schiffe aus Holz und man saß auf Holzbänken, die bei Wellengang gefährlich rutschten“, erinnerte sie sich lachend.
Ein junger Backpacker schwärmte von seinen Abenteuern auf den Kykladen und versprach uns, dass Thassos noch viel schöner sei. „Hier gibt es die besten Strände und das klarste Wasser“, sagte er. „Und die Oliven, ihr müsst unbedingt die Oliven probieren!“
Ankunft auf Thassos
Kurz bevor wir Thassos erreichten, versammelten sich alle Passagiere wieder an Deck. Die Ankunft war nicht weniger chaotisch als die Abfahrt. Das Anlegemanöver wurde von lautem Hupen und wilden Gesten begleitet. Schließlich legte die Fähre an, und die Autos begannen, sich in einer scheinbar unkoordinierten, aber dennoch funktionierenden Weise zu entladen.
Wir betraten die Insel mit einem Lächeln auf den Lippen und dem Gefühl, ein echtes Abenteuer erlebt zu haben. Das typisch griechische Chaos hatte sich als eine Mischung aus Gelassenheit, Humor und einer charmanten Art der Organisation entpuppt, die den Beginn unserer Reise nach Thassos unvergesslich machte.
Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der Sonnenbrille in der Tasche (die ich übrigens mittlerweile gereinigt hatte), machten wir uns auf, die Schönheiten der Insel zu entdecken. Thassos wartete auf uns mit all seinen Wundern – und wir waren bereit, uns darauf einzulassen.